Das Tausendschäfchenmärchen

Gleich hinter der Autobahn, wo das Land beginnt, hügelig zu werden und Tannen und Buchen stehen, ist der Märchenwald. Was hier los ist, wissen nicht mal die Kuscheltiere von Huxlipux, was ja auch ein Märchenland ist. Eines Tages aber – genau vorgestern kam eine große Herde von weißen quirligen Schäfchen aus diesem Märchenwald gestürzt.

Vor einiger Zeit lag ein kleines Telefon auf der Straße.  Wem gehörte  es?
Eine Elster hatte es geschnappt und in den Märchenwald gebracht.  Es war noch Strom drauf. So konnten sie ganz laut Nachrichten hören. Ein Mann erzählte von der Armut in Afrika und dem Hunger und Durst, die dort herrschen.

Auch die Märchenschafe hörten das und beschlossen aus dem Märchenwald aufzubrechen und nach Afrika zu fahren. Sie wollten dort helfen. Der Oberhirte erlaubte es den tausend Kräftigsten. Er holte den Wunderlaster aus einer Höhle und ließ  jedes einzelne Schaf einsteigen. „Ich bringe Euch zum Schiff!“ sagte er und setzte sich ans Steuer. Er wollte hinterher zum Märchenhaus fahren, denn er hatte den Huxlipuxern versprochen, vom Märchenwald zu erzählen. Mit hoher Geschwindigkeit rauschte er auf die Autobahn. Hier fiel er gar niemand weiter auf. Alle Autos rasten irgendwo hin. Aber ein paar Kilometer weiter  war  ein Reisebus umgekippt und der Autobahnverkehr wurde für viele Stunden gesperrt.

Die Schäfchen langweilten sich, eins nach dem anderen sprang aus dem Wagen, sie hüpften die Autos entlang, die in einer langen, langen Schlange hintereinander standen. Die Kinder holten sich die Schäfchen in die Autos und kuschelten mit ihnen. Aber plötzlich riefen sie alle: „Durst – und Mä mä und Milch und Saft und Wasser!“ Der Hirte im Schaflastwagen winkte zum Verkehrshubschrauber hoch und bat, in Huxlipux vorbei zu fliegen und von dort Wasser und Saft und Milch für die Kinder und Schafe herzubringen. So geschah es auch. Wenigstens zu trinken hatten nun alle. Und der Kuscheltierarzt Doktor Grauohr war mitgekommen. Aber noch immer war die Autobahn nicht frei gegeben. Endlich, als es schon dunkelte, konnten die Schäfchen wieder eingesammelt  und nach Huxlipux gebracht werden. Alle waren sehr müde. Sie schliefen im weichen Gras, und auch der Hirte legte sich, und ehe er noch erzählen konnte, schnarchte er schon. Das Allerkleinste nahm Dr. Grauohr mit in sein Zimmer und ließ es neben Gustl schlafen.

Als Hasenoma am nächsten Morgen von einem Brummen erwachte, sah sie, dass die Schafe und der Lastwagen von einem riesigen Flugzeug mitgenommen worden waren. Das letzte Schaf, das einstieg, winkte ihr zu und zeigte zum Doktorhaus hinüber.  Nach einiger Zeit, als auch die letzten Huxlipuxer ausgeschlafen hatten, erwachte das Märchenschäfchen. Doktor Grauohr erzählte ihm, seine Brüder hätten ihn hier gelassen, weil er zu müde gewesen sei. Das Schäfchen weinte. „Ich wollte doch auch mit nach Afrika und den Kindern helfen, die sehr arm sind. Einige von uns, die Mütter, wollten Schafsmilch spenden und erklären, wie man Schafskäse macht. Und wir Kleinen wollten Freunde der Kinder sein. Der Hirte sollte den Frauen zeigen, wie sie Schafe scheren und Schafswolle machen könnten. Dann würden viele schöne Sachen gestrickt und verkauft werden.

Du bleibst eine Weile in Huxlipux, erklärte Hasenoma. Der Nächste, der eine Flugzeugreise macht, wird gebeten, dich nach Afrika mitzunehmen. Dann bist du wieder bei den deinen und kannst ihnen Geschichten über Huxlipux erzählen.

„Ich habe Angst,“ jammerte das Schaf. „Brauchst du nicht zu haben!“ Das kleinste Bärchen Binchen aus Huxlipux umarmte es. „In Huxlipux haben alle einander lieb, ganz gleich, woher wir kommen und welche Farbe wir haben. Schwarze Schafe sind genau so nett wie weiße, lila Elefanten können genau so gut trompeten wie graue, und weiße Bären haben genau so weiches Fell wie braune oder gelbe Bären.“   Nur vom Märchenwald erzählte es nichts. Da konnten sie fragen soviel sie wollten. Also erst mal still sein.

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