Buntstadt

 

Kennt Ihr Buntstadt? Nein. Dann will ich Euch von diesem Ort erzählen. Es waren einmal fünf Häuschen, die am Waldrand standen. Die Leute wollten, das solle  eine kleine Stadt sein, konnten sich aber nicht einigen, in welcher Farbe die Häuschen gestrichen werden sollten. Da sie arm waren, mussten sie eine Farbe nehmen, weil das billiger wurde, als wenn sie fünf verschiedene Töpfe mit Farben gekauft hätten. Nach langem Gezänk, keiner wollte nachgeben, hatten sie sich geeinigt, blaue Farbe zu nehmen. Fünf blaue Häuschen am Waldrand sahen aus, wie der Himmel an einem schönen Tage oder wie das Meer, wenn über ihm die Sonne leuchtet. Als noch ein Mann für seine Familie dort ein Häuschen  baute, strich auch er es blau an, damit es nicht anders als die übrigen aussah. Aber wie das mit den Farben so ist, nach einer Weile blätterten sie hier und da ab, und ein großer Regenguss, der viele Tage anhielt, wusch den letzten Rest der Farbe ab.

Dann kamen reiche Bauherren mit großen Kränen und ließen den kleinen Ort weiter wachsen. Die reichen Bauherren fragten die Leute gar nicht, in welcher Farbe die neuen Häuser gestrichen werden sollten. Viele Familien zogen ein.  Eine große Fabrik war entstanden, in der viele Menschen Arbeit hatten. Die alten und die neuen Häuser hatten nun einen Gelben Anstrich bekommen. Das sah im ersten Jahr freundlich aus. Freundlich wie eine Löwenzahnwiese, wie ein Sonnenblumenfeld oder wie Butterbrote am Frühstückstisch. Doch wieder brachte der Herbst den Regen, und die Farbe rieselte von den Häusern, rauschte als gelber Bach durch die Straßen.

Nun wollte Bürgermeister Roth endlich bestimmen, dass die ganze Stadt und vor allem auch das neue Rathaus rot gestrichen würde. Rot wie es sein Name sagte und wie seine Nase leuchtete.  Hahaa, weil aber ein Bürgermeister eigentlich gar nichts zu bestimmen hat, musste er den Gemeinderat überreden, die rote Farbe für die Häuser zu wählen. Er lud zur Sitzung ein, schenkte Tee aus und ließ Himbeeren hinein tun. Das soll besonders freundlich machen. Er verschenkte rote Rosen, den Hunden rote Schleifen, den Kindern rote Bälle. Schließlich fanden alle, rot wäre mal eine schöne Abwechslung als Farbe für die Häuser.

Von weither kamen später die Leute um die rote Stadt zu bewundern. Der Bürgermeister mit der roten Nase wurde ein berühmter Mann. Und da wurde er natürlich sofort irgendwohin gewählt und musste aus der roten Stadt fort ziehen. Die Fabrik, in der die meisten vom Städtchen am Waldrand arbeiteten, schloss nach einer Weile die Türen. Es war keine Arbeit mehr da. Die Leute wurden arbeitslos. Als – wie es ja vorauszusehen war, beim alljährlich einsetzenden Dauerregen im Herbst auch die rote Farbe abfloss, dachten alle traurig zurück an die ersten blauen Häuser. Eine Frau hatte ein Bild davon gemalt. Das stellten sie nun in ihrem Rathaus aus.

Das brachte die Lehrer und die Kinder, selbst die Kindergartenwinzlinge dazu, ihre Malfarben zu nehmen und die Häuser mit Zeichnungen zu schmücken. Da krabbelten die Käfer, die Elefanten, die Esel und Nashörner und die bunten Blumen an den Häuserwänden herum, und Buntstadt war geboren. Nun hatte der Ort einen guten Namen. Viele Schaulustige kamen und kommen immer noch, und es entstanden Ferienwohnungen und kleine Kaffees in der ehemaligen Fabrik. Und weil der Herbstregen ja alle Jahre wiederkommt, der die schönen Zeichnungen abwäscht, gibt es immer wieder neue Bilder. Kurz vor Ostern sieht man die Kinder und die Lehrer und die Eltern und vor allem auch die Künstlermaler mit den Maltöpfchen und Pinseln, dazwischen die Fotografen, die alles festhalten. Eines Tages wird es Farben geben, die der Regen nicht mehr abwaschen kann, und darauf freuen sich alle.

 

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