Rotfeder-Goldschnäbelchen
Nun endlich das Märchen von Hasenoma:
Es war einmal ein alter Mann. Der lebte mit seiner Frau in einer Hütte im Wald. Sie hatten kein Kind und waren deshalb nicht fröhlich.
Eines Tages ging der Mann in den Wald, um Holz zu schlagen. Da flog ein Vögelchen vom Ast und begann zu singen. Es hatte eine rote Brust und ein goldfarbenes Schnäbelchen. Der Alte lauschte dem Gesang und schlief ein. Erst als die Sonne unterging, erwachte er. Das Vögelchen war fort geflogen. Verwirrt machte sich der alte Mann auf den Heimweg. „Wo hast du das Holz?“, fragte die Frau. Der Alte schüttelte den Kopf. „ Ich habe keinen Baum gefällt, kein Holz gesammelt, nur einem wunderschönen Vögelchen gelauscht.“
Am nächsten Morgen ging er wieder los, um Holz zu holen. Aber es geschah das Gleiche wie am Vortag. Das süße Vögelchen Rotfeder-Goldschnäbelchen setzte sich auf einen Ast und begann zu singen. Der Mann lauschte und schlief ein. Diesmal erwachte er erst, als die Sterne schon am Himmel blinkten. Da sagte seine Frau: „ Fang doch das Vögelchen und bringe es heim. Dann haben wir beide den ganzen Tag Freude.“
So geschah es. Am dritten Tag hielt sich der alte Mann wach, bis das Vögelchen müde war. Als es schlief, nahm er es vorsichtig in die Hand und steckte es unter seine Jacke. Daheim setzte er es auf den Tisch und die Frau gab ihm Brotkrümelchen und Wasser. Da sang es so lieblich, wie vorher draußen im Wald. Die beiden Alten schliefen tief und gut. Der Mann baute einen Käfig für das Vögelchen, damit es einen Schutz vor der Katze hatte.
Als die beiden Leutchen aufs Feld gingen, um Gras zu mähen, verwandelte sich das Vögelchen in ein Mädchen. Es wischte die Stube, putzte die Fenster und fütterte die Kuh im Stall. Dann verwandelte es sich wieder in einen Vogel. Die Alten staunten, doch es kam ihnen nicht in den Sinn, dass all die Arbeit vom Vögelchen getan worden war.
Eines Tages hörte ein Prinz den wundersamen Vogelgesang. Er setzte sich auf die Stufe des Hauses und schlief auch ein. Danach ging er zu einer weisen alten Frau. Die erzählte ihm, dass dies Vögelchen ein vom Himmel gefallener Stern sei. Wenn es dem Prinzen gelänge, es in seiner Mädchengestalt zu sehen, würde es sich nicht mehr in ei Tier zurück verwandeln.
Der Prinz wartete geduldig am Fenster. Als er das schöne Mädchen sah, geriet er in große Freude. Nun blieb es ein Mensch. Die Alten kamen aus dem Walde. Das Mädchen trat ihnen entgegen. Sie herzten und küssten es und nannten es ihre liebe Tochter. Der Prinz bat die alten Leute, mit ihrem Töchterchen zu ihm ins Schloss zu ziehen. Alle wurden glücklich, und bald feierten sie eine märchenschöne Hochzeit.
(Nach einem karelischen Märchen)