Im Schneckenkellerloch
Wieder nahen Herbst und Winter. Die Blätter segeln nur so von den Bäumen herab, wenn der Wind herum tobt. Man könnte meinen, es regne Blätter. Aber sie sind trocken und manche golden oder rot.Ich habe gestern eine Tour von einem roten Blatt zu einem goldgelben unternommen.Dabei bin ich sogar über ein kleines altes Polizeiauto geklettert. Es war aber kein Polizist drin. Zum Glück, denn mit Menschen muss man vorsichtig sein.Sie sind so nett die Blätter und wissen immer allerlei Geschichten vom Sommer zu erzählen. „Wohin?“ fragte mich Rotblatt. „Hast du eine sichere Winterbleibe?“ Ich schüttelte meinen Schneckenkopf. „Solange es geht verberge ich mich in meinem kleinen Haus.“ Es gibt dort drüben ein blaues Häuschen, ein sehr kleines. Aber es hat einen Keller. Das erzählte mir Rotblatt. „Da versuche ich hin zu gelangen.“ Es hing sich lässig in den Wind, und der trug es ein Stück näher zum Haus. „Komm auch!“ rief mir Rotblatt zu, dann war es verschwunden. Ich lief ein Weilchen, das Goldblatt kam mir nachgesegelt. „Willst du auch zum blauen Häuschen?“ fragte ich es. „Ja, unbedingt. Da kann man gut überwintern.“
Ich beeilte mich ein wenig. Aber eine Schneckeneile ist für jeden anderen schwer ersichtlich. Sie sagen oft, na, bist du noch nicht weiter? Das verstehe ich nicht. Eigentlich habe ich es überhaupt nicht eilig. Wieder flogen ein paar Blätter an mir vorüber zum Häuschen. Eines rief mir zu: „Bald wird es regnen. Bist zwar keine Zuckerschnecke, aber dieser Regen schwemmt alles weg. Dich auch.“ Ich nickte und verkniff mir die Nachtruhe sondern wanderte weiter, bis ich am übernächsten Tag endlich angekommen war. Wo hatten sich die Blätter hin verkrochen? Ich schwebte über einem Gitter. Darunter lagen sie und riefen komm schnell, beeile dich!“ Ich ließ mich ganz langsam hinunter, bis ich auf Rotblatt lag. „Na, nun lass uns gemütlich plaudern und schlafen.“ Ich musste wirklich erst mal schlafen, weil ich ja die letzten Tage und Nächte gekrochen war. „Gekrochen“ sagten die Blätter. In der Nacht erwachte ich kurz vom Mondstrahl, aber ich schlief gleich wieder ein. Am Morgen war es noch dunkler als gestern. Goldblatt legte sich um mein Schneckenhaus und erklärte mir, dass ein Mann eine dicke Glasplatte auf das Gitter gepackt hatte. Jetzt konnte niemand mehr herein oder hinaus. Auch der Wind nicht. Draußen goss es in dicken Strömen. Das hörte man, und wir waren froh über unsere gemütliche Unterkunft. Es lagen viele Blätter hier drinnen, und so blieb es weich und angenehm. Rotblatt und Goldblatt bekamen Runzeln und schrumpelten wie die anderen zusammen. Aber noch immer erzählten sie Geschichten. Die Letzte handelte vom Frühling. Sie hatten es vom Baum aus gesehen, was dann geschah. Der Mann würde die Platte wegnehmen und auch das Gitter und alles heraus schaufeln, alle versammelten Blätter würden rund um die Bäume gepackt, damit die Dünger bekamen und besser wuchsen. „Und ich?“fragte ich. „Du gehst wieder im Schneckengang spazieren, wie du es immer getan hast. Sicherlich triffst du andere Schnecken, die auch eine gute Unterkunft fanden. Aber du wirst auch von erfrorenen oder anderswie vernichteten Schnecken hören.“ Da lob ich mir doch das blaue Haus. Es scheint mir ein angenehmer Wintertraum zu werden. Gute Nacht. Ich schlafe weiter!
Eure Schnecke
Das interessante Foto machte
Wolfgang Bentz