Hat der Wind Geburtstag?
Vor dem Fenster liegt er heute Abend. Mäxchen geht schlafen, husch – der Wind hebt sich und pustet ein paar Blätter aufs Fensterbrett. Gute Nacht, Mäxchen! Der Wind steigt hoch in die Pappel, guckt zum Mond und gähnt und ruht ein wenig. Friert der Wind? Er hat keine Decke. Winde frieren nie. Aber Träume, die hat der Wind auch. Er träumt von all den Orten, wo er schon gewesen ist. An der Ostsee, in Florida, in China und Afrika. Mal hat er sich sonnendurchwärmt weiter bewegt, und manchmal Staub getragen. Aber eines hat er noch nie. In die Wohnung von Mäxchen geschaut. Was mag wohl da drinnen sein, wo er keinen Zutritt hat. Immer schließen die Menschen die Fenster, wo er auftaucht. Nur selten, ganz selten, lassen sie den Wind mal kurz herein. Damit die Luft besser wird, sagt die Mutter. Aber ehe er sich auch nur ein wenig umschauen kann, wird er wieder ausgesperrt. Er konnte gerade mal die Tischdecke etwas zur Seite wehen und die Gardine aufbauschen. Aber er konnte nichts vom duftenden frischgebackenen Apfelkuchen kosten und auch nicht vom Saft trinken. Davon träumt der Wind nun. Und er wünscht sich, auch mal Geburtstag zu haben und ein Geschenk zu bekommen. Er stöhnt vor dem Fenster und ruft ganz laut. Ich will Geburtstag feiern. Mäxchen hört es. Er steht auf, obwohl er doch schlafen sollte und geht zu seinem Spielschrank. Windspielzeug sucht er, eine kleine bunte Mühle findet er, einen Drachen, einen Papiervogel, Lampions und eine Fähnchengirlande. Mama kommt ins Zimmer und bringt ihr Mäxchen wieder ins Bett. Sie hört von ihm, dass der Wind morgen Geburtstag hat und lächelt. Da machen wir ein kleines Fest, denkt sie sich und wie gut, dass wir den frischen Apfelkuchen haben. Als Mäxchen am nächsten Morgen erwacht, sieht er die Fähnchengirlande und Lampions im Garten, und der Wind spielt darin. „Freust du dich?“ ruft Mäxchen. Der Wind durchwirbelt den Duft der vom Kuchen aufsteigt. Das heißt JA, meint die Mutter. Dann sagt sie, na hoffentlich kommen nicht noch mehr Winde zum Fest. Mehr? Ja erklärt die Mutter. Orkane gibt es, die können ganze Wälder ausreißen und sogar Häuser zerstören. Da hat Mäxchen tüchtig zum Nachdenken. „Kann unser kleiner Geburtstagswind zu einem Orkan wachsen?“ fragt er. Aber der kleine Wind zerwuschelt nur ganz leicht sein Haar. Das heißt sicher nein, Mutter weiß mehr über die Winde. Was sie sagt, stimmt meistens. Nachher, wenn sie Zeit hat, wird sie ihm noch mehr Geschichten über den Wind erzählen. Nur eine bringt den Wind dazu, den Atem anzuhalten und nichts anzustellen, die Nebelfrau. Wenn sie ihr weites Gewand über das Land legt, weht der Wind nicht. Er muss einfach irgendwo, klein und für uns unsichtbar schlafen.