Tiktiktik,unhörbar schlägt mein Uhrenherz
(gesprochener Text, Ton laut stellen.)
Ja, da stehe ich und ticke vor mich hin schon viele Jahre lang. Nur selten muss eine neue Batterie in meinen Bauch platziert werden. Mein lange reichendes Futter. Ich zeige zu jeder Zeit an, wie spät es wirklich ist, weil ich zu den genau eingestellten Uhren gehöre, die jede Zeitumstellung, ob im Herbst oder im Frühjahr mit anzeigen. Atomuhr, glaube ich, nennt man uns. Früher, als ich jung war, ging auch noch das Licht bei mir an, wenn man auf einen Knopf drückte. Das ist leider nicht mehr da. Aber zum Uhrmacher will man mich deswegen auch nicht erst bringen, obwohl das für mich eine hübsche Abwechslung wäre, all die tickenden und gongenden Uhren und Ührchen ringsum. Das weiß ich nicht, aber ich denke, es sieht so aus im Uhrenladen bei Herrn Schneider, von dem sie manchmal sprechen.
Da ich eine Schlafzimmeruhr bin, lebe ich ziemlich langweilig. Höre Schnarchtöne, manchmal noch ein wenig Radionachrichten, und dann ist es dunkel ringsum. Ich sehe aus dem Fenster. Das Haus dort drüben – ein Licht nach dem anderen geht aus, bis sie wohl alle schlafen. Und früh um fünf beginnt neues Leben. Draußen ist es noch dunkel. Im Haus gegenüber geht ein Licht an, eine halbe Stunde später ein zweites, dann – gegen sieben, wenn sich die Kinder zur Schule begeben müssen, leuchten in allen Fenstern Licht. Im Sommer ist es natürlich anders. Da wird es früher hell. Das Haus gegenüber redet gar nichts mehr und zeigt dann auch keine elektrischen Lichter.
Warum kann ich nicht immer hier stehen? Es duftet so süß. Aber natürlich gehöre ich ins Schlafzimmer, da dürfen solche Düfte nicht hinein. Schaaade“
Zu Ostern treffen sich alle diese genau gehenden Uhren nachts um zwölf und feiern ein Fest, ich auch. Dann tanzen wir miteinander und erzählen, was jede erlebt hat im Jahr. Und ich höre die spannendsten Geschichten von den Uhren in der ganzen Welt und natürlich von unserer Uhrmutter der Atomuhr in Paris, die uns wohl immer anfunkt. Darum nennt man uns ja auch manchmal Funkuhren. Auch die kleinen Armbanduhren mit unseren Eigenschaften werden von ihren Besitzern geliebt, gelobt und manchmal auch verloren. Da ist dann das Geschrei groß, denn der Verlust so einer teuren Uhr ist wirklich ein Unglück. Nur ich – die kleine schwarze Schlafzimmeruhr mit meiner Bekanntschaft mit dem „Haus gegenüber“ bin allen zu langweilig. So träume ich ein ganzes Jahr lang von dem, was die Uhren auf unserem Osterfest erzählt haben. Tick, tack, tick, tack. in meinem Innern schlägt unhörbar für euch mein Uhrenherz.
Hallo hier spricht Bob aus Huxlipux, liebe Uhr. Ich war gerade in Greenwich im Observatorium- Da, sagt man, ist die Stelle, wo die Zeit gemacht wird.
Also, meine liebe kleine gelangweilte Schlafzimmeruhr. Hast Du die Lichterbrücke gesehen, die vor dem grauen schlafenden Haus heute Nacht entstanden ist? Ja, ja, hast Dich gewundert? Bald dann nur noch die Hälfte gewundert. Als es hell war, wurde ein riesiges Zelt aufgebaut. Ein Zirkuszelt. Was geschieht da? Karin ist schnell mal vorgelaufen und hat einen Arbeiter gefragt, der mit dem Aufstellen was zu tun hatte. „Ja, ja,“ erklärte er ihr, das ist der Zirkus „Tausendtraum aus Soest“ der macht etwas mit den Schulkindern zusammen. Sie dachte sofort an unseren Clown Bopsi. Und Hasenoma will besonders aufpassen, dass er nicht etwa heimlich hinläuft. Aber Karin geht vielleicht mit einem von ihnen in die Vorstellung. Mal sehen. Ob Du mehr sehen wirst, kleine Uhr, weiß ich nicht. Ist ja so kalt. Wird alles im Zelt passieren. Vielleicht hört man ein wenig Musik? Tiere haben sie nicht dabei. Hoffentlich friert den Leuten nicht das gute Hinterteil an, aber vielleicht ist das Zelt ja irgendwie erwärmt. Was Du nicht sehen kannst, erzähle ich Dir später dann, wenn ich etwas erfahre. Ulla
