Etwas zum Freuen

Ganz oben rechts

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(Gesprochener Text)

Im ganzen Haus riecht es nach Kuchen. Frau Naumann keucht die Treppe hoch. Sie ist schon alt. Aber sie wohnt ganz oben rechts. Das Haus hat keinen Fahrstuhl. Frau Naumann ist allein. Sie hat nur einen Sohn. Der wohnt in einer anderen Stadt. Kinder hat er noch keine. Die Kinder im Haus nennen sie Oma Naumann, dabei ist sie gar keine richtige Oma. Wofür backen alle Kuchen? Aus jeder Wohnung dringt süßer Duft. Ob so viele am gleichen Tag Geburtstag haben? Endlich ist Oma Naumann oben und schließt ihre Tür auf. Bei ihr ist kein Kuchenduft. Wozu auch? Sie hat ja keinen Geburtstag.

Am nächsten Vormittag klingelt es bei Frau Naumann. Vor der Tür steht ein Korb mit Äpfeln. Nanu, woher? Sie hört wie die Wohnungstür eine Treppe tiefer quietscht und der kleine Max kichert. Da liest sie den Zettel. „Wir verteilen Freude zum Oma-Opa-Tag!“ Frau Naumann hat von so einem Tag noch nie gehört. Da klingelt es schon wieder. Ein kleiner Kuchen steht vor der Tür, gerade so, dass ihn ein einzelner Mensch zum Nachmittagskaffee verspeisen kann. Wieder eine Karte dabei. „Zum Oma-Opa-Tag“.  Dann wird ein Brief durch den Türschlitz gesteckt. „Wer schreibt mir?“ denkt Frau Naumann. Aber es ist keine Briefmarke aufgeklebt. „Einladung“ steht auf der Karte, die selbstgemalt aussieht. Familie Krämer hat eingeladen zu einem kleinen Abendkonzert der Kinder aus dem Haus zum Oma-Opa-Tag.

Frau Naumann zieht ihr gutes Kleid an. Zu einem Konzert macht man sich fein. Pünktlich um 6 klingelt sie bei Krämers. die Kinder öffnen die Tür und geleiten Frau Naumann in die gute Stube. Dann stehen die 7 Kinder, die im Haus wohnen, zusammen und beginnen zu singen. „Rote Wolken am Himmel.“ Frau Naumann kennt das Lied und summt mit. Nun erfährt sie endlich, dass es im  November in jedem Jahr den Oma-Opa-Tag gibt. Alle haben ihren Omas oder Opas am Nachmittag Kuchen gebracht. Und weil sie wissen, dass Frau Naumann keine Enkel hat, wollten sie ihr eine Freude bereiten.  Dann fragen sie alles, was Kinder so wissen möchten. Ob sie im Krieg schon gelebt hat, was sie gearbeitet hat, wo sie zur Schule gegangen ist. Zum Schluss bedankt sich Frau Naumann noch einmal. Und vielleicht kann sie sogar mit Krämers die Wohnung tauschen. Ihre ist viel zu groß und vor allem in der 4. Etage, für sie so beschwerlich zu erreichen. Und Krämers brauchen dringend eine größere Wohnung mit ihren drei Kindern.

Als Frau Naumann später noch immer summend die Treppe hoch keucht, ist sie doppelt glücklich. Einmal in so einem freundlichen Haus zu wohnen, und dann auch wegen dem Konzert und dass sie jemand „Oma“ nennt, obwohl sie keine ist.

An der Herbstsonne haben alle Freude, die am Balkon vorüber gehen.

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