Medizin aus der Gärtnerei
Da hat der Herr Doktor Rumpel aber noch ganz schön gearbeitet, damit sein Wartezimmer heute strahlen kann.
„Ein sehr schwieriger Fall, Herr Doktor!“ meldet Schwester Kloss dem Arzt und erzählt. „Draußen sitzt Herr Luchs mit seiner kleinen Tochter Lana. Die Mutter ist bei einem Autounfall gestorben. Die Kleine isst kaum noch, lacht nicht mehr und Herr Luchs weiß sich keinen Rat.“ -„Ist gut,“ sagt der Doktor. „Er soll erst einmal ohne die Tochter hereinkommen. Sie können sie ja inzwischen wiegen und messen.“ Herr Luchs kommt, und sein Gesicht ist ebenfalls sehr traurig. „Lana will nur essen, was Mama gekocht hat. Und Kuchen habe ich noch nie selbst gebacken. Es ist einfach schrecklich, wenn eine Mutter so plötzlich nicht mehr da ist. Im Kindergarten sitzt sie auch nur in der Ecke und will nicht mitspielen.“ Doktor Rumpel erfährt, dass die Mutter in der Gärtnerei gearbeitet hat. Dann holt er Lana herein. Schwester Kloss zeigt ihm die Karte. „Du wiegst etwas wenig! Willst Du nicht in die Schule gehen?“ Lana schüttelt den Kopf. „Ich werde erst fünf“ piepst sie. Der Doktor horcht an Lanas Herz, an der Lunge. Soweit ist alles in Ordnung. Er nimmt Lana auf den Schoß. „Du hattest deine Mami sehr lieb, nicht wahr?“ Lana nickt. „Und Papa? Hast du ihn auch lieb?“ Sie nickt noch einmal. „Dann wollen wir etwas für ihn tun,“ meint er. „Du siehst doch, wie grau dein Papi im Gesicht ist. Er ist viel zu traurig, einmal wegen Mama, aber auch, weil er Angst hat, dass du nichts mehr isst. Wir müssen aufpassen, dass sein Herz nicht krank wird. Habt Ihr schon die Blumenkästen bepflanzt?“ fragt er. Lana schüttelt den Kopf. Das hat immer die Mama besorgt. Papa liebt bunte Blumen vor den Fenstern. Der Doktor holt aus seiner Wohnstube ein Tütchen mit Samen. „Sät das mal aus! Und dann erzählst du mir, was daraus gewachsen ist.“ Ja, Medizin gibt es für Lana nicht. Traurigkeit kann man damit nicht heilen.
Aber Dr. Rumpel hilft dem Papa und gibt ihm eine Einladung zu seinem nächsten Kochkurs für gesundes Essen. Und Herr Luchs verspricht zu kommen.
Eifrig geht Lana mit dem Tütchen in der Hand nach Hause. Sie holen die Blumenkästen aus dem Keller und füllen Sand hinein. Und Lana sät aus dem Tütchen vom Herrn Doktor.
Der geht zum Kindergarten. Er gibt Frau Meislein eine kleine Spende für den Kindergarten, und bittet sie, mit den Kindern kleine Pflänzchen und Samen zu kaufen. Und Lana soll einteilen, wer immer gießt und Unkraut jätet. So wird das Mädchen von den anderen gebraucht, und sie sitzt nicht mehr in der Ecke herum.
Wenn die Pflänzchen in der Erde sind, huscht ein leises Lächeln über Lanas Gesicht. Jetzt fühlt sie sich wie eine Gärtnerin, ein wenig, wie Mama.
Und Herr Luchs kommt ganz bestimmt zum nächsten Kochnachmittag zu Doktor Rumpel.
Immer wieder aber sieht der Doktor das Bild vor sich, als Sylvi, das Dornröschen, wie er sie heimlich nennt, in seinem Wartezimmer den Kindern vorgelesen hat.
Am Ostersonnabend ist unser Doktor bei Frau Kloss, also seiner Schwester Klößchen zum Kaffee und Ostereiersuchen eingeladen. Leise fragt er, ob denn ihre Nichte Sylvi auch dabei sein wird. Klößchen lächelt. „Mal sehen, was der Osterhase so bereit hält,“ antwortet sie geheimnisvoll. Und der Doktor wird auch ein Osterei mitbringen, das nur versteckt wird, wenn das schöne Mädchen da ist.
Zeichnungen: Maja Drachsel<
Text: U.Böhnke-Kuckhoff