Schwester Fadennudel
Nicht alle Kinder kann Doktor Rumpel mit einem Luftballon trösten. Neulich sagte eine kleine Patientin, die zum zweiten Mal bestellt wurde: „Ich hab ja schon einen.“ Nun sucht er sein Bastelzeug zusammen und kramt Wollreste aus einem Körbchen. Schwester Kloss macht runde Augen. Will der Doktor stricken?“ Nein, nein. „Lassen sie sich überraschen!“ sagt er geheimnisvoll und wickelt bunte Fäden um den Draht, hin, her und – fertig ist eine Puppe. „Ich näh ihr ein Kleidchen!“ Schwester Kloss ist eifrig dabei. Es soll eine Krankenschwester werden, verrät der Doktor. „So eine Dünne, sieht ja aus wie eine Fadennudel?“ fragt Frau Kloss und seufzt wieder ein wenig, weil sie an ihre etwas dickliche Figur denkt. „Klößchen, sie haben den richtigen Namen gefunden.“ Der Doktor umarmt die erschrockene Frau Kloss begeistert. Über diese fadendünne Schwester will sich der Doktor winzige Geschichten ausdenken, über die die Kinder lachen sollen. Er schlenkert mit dem Püppchen und steckt es in seine Jackentasche. „Fadennudel und Klößchen, da passen wir ja zueinander“, murmelt Frau Kloss.
Als die Sprechstunde beginnt, sucht Doktor Rumpel im Wartezimmer gleich den weinenden Bastian als ersten Patienten heraus. Der Vater war mit ihm gekommen. Er erklärt, dass Bastian heute wieder die Rheumaspritze zu erwarten habe. Der Doktor holt seine Schwester Fadennudel aus der Tasche und lässt sie mit einem Tüchlein die Tränen von Bastians Bäckchen tupfen. „Ich kam vorhin durchs Schlüsselloch.“ erzählt die dünne Schwester mit der Stimme vom Doktor. Sie hätte auch zu wenig Kraft, um die Türklinke zu benutzen. Ist das nicht traurig? –„Tröste sie mal,“ bittet der Doktor den Jungen und drückt die Puppe Fadennudel an seine Wange. Schwupps, ist die Spritze in Bastians Bauch. Ehe er „Aua“ rufen kann, darf er sich wieder anziehen und heimgehen. „Tschüß, Schwester Fadennudel,“ sagt er noch und lächelt.
Viele Krankheiten kommen, weil Kinder zu dick sind. Heute sitzt neben anderen Patienten der Willi. Er hat Rückenschmerzen und will beim Sportunterricht in der Schule nicht mitmachen. Willi mit den dicken Pausbäckchen schiebt selbst hier, als der Doktor ihn anspricht, einen Schokoriegel in den Mund. „Er isst so gern“. Entschuldigt ihn die Mutter, als er von Schwester Kloss auf die Waage gestellt wird. Der Doktor schreibt ihm keine Entschuldigung für den Sportunterricht. Er soll tüchtig mitmachen. Dann gehen die Rückenschmerzen schnell weg. „Und nur noch einen Schokoriegel in der Woche!“ Willi guckt ärgerlich. Ihn tröstet der Doktor mit einem Luftballon. Er bestellt den Jungen zur Gewichtskontrolle in vier Wochen. „Mir will er auch helfen, dünner zu werden,“ flüstert Schwester Klößchen dem Jungen zu und streichelt ihn zum Abschied.
U.B-K.